Winterferien 2024 in Vøringsfossen
Warum fährt man im Winter in ein Ferienhaus mit Bioklo und ohne
fliessend Wasser?
Vermutlich reizt die Natur so sehr, dass ich es ausprobieren wollte.
Die Bahnverbindung von Oslo Richtung Trondheim nutzt
Schienenersatzverkehr, das kennen wir zu gut.
Deshalb fahre ich Richtung Bergen, steige vorher aus und reise an die
Nordwestflanke der Hardangerwidda.
01.02.2024
Die Winterferien am Vøringsfossen beginnen am 1. Februar mit
der Bahnfahrt nach Kiel, wo wir dann auf die Colorline-Fähre
umsteigen. 20 Stunden Fahrt (mit Übernachtung), aber wir landen
mitten in Oslo, sind gleich beim Mietwagen und es geht weiter nach
Jevnaker, von wo aus ich alleine weiterreise.
In Jevnaker kaufe ich dann alles, was ich noch in der Woche brauche:
1kg Reis, 1kg Nudeln, Ersatz für das zu Hause vergessene Brot,
Äpfel und natürlich Nøckel, ein Schnittkäse
mit Gewürzen.
Erste Erfahrung: die norwegische Bahn ist genauso komisch wie die DB.
Der Bahnbus nach Hønevoss wird gecancelt, aber ich erhalte
eine SMS mit der Sitzplatzangabe. An der Bushaltestelle warte ich dann
vergeblich - zum Glück ist der Mietwagen da.
03.02.2024
Mein Nachtzug fährt dann auch pünktlich und ich habe
wieder Glück: hinter Voss gab es einen Erdrutsch und die
Fahrleitung wird repariert - ich bin nicht betroffen.
Dafür sehe ich aus dem Fenster, welche Effekte eine vereiste
Oberleitung erzeugt.
Kontaktprobleme an der Oberleitung
Am Bahnhof
in Voss holt mich mein Vermieter ab und bringt mich zur Hütte.
Es sind Plusgrade und es regnet stark, aber als wir oben aus dem
Tunnel kommen, ist Winter - alles weiß und es schneit.
Auf den paar Metern von der Straße zum Haus merke ich, dass
ich ohne Schneeschuhe aufgeschmissen wäre. Einmal versinke ich
bis zum Oberschenkel im Schnee. In der Hütte bringe ich zuerst
den Ofen in Gang und dann schaufele ich mich durch den halben Meter
Schnee zum Feuerholz und zur Toilette. Und als dann der Ofen bullert,
geht es mir gleich viel besser.
Trotz Schneegestöber mache ich mich auf eine erste Runde bis
zum Garen Camping, da der Shop heute offen sein soll - und ja, er
ist es. Drinnen riecht es nach Zimtschnecken und das Wochenende ist
gerettet. Auf dem Weg flitzt ein Schneehase vorbei, wirklich komplett
weiß ist er.
04.02.2024
Heute probiere ich, auf dem ehemaligen RV7 (Reichsweg 7), der jetzt
Fuß- und Radweg ist, ins Tal zu kommen. Die neue Straße
geht über mehrere Runden durch den Fels, die alte klammert sich
außen an die Felswand. Der Weg ist wegen Steinschlag immer noch
gesperrt, aber am Sonntag wird mich ja keiner aufhalten. Als ich
ankomme, denke ich, der ganze Hang ist weg, aber dann sehe ich das
Loch im Fels. Der Weg ist mühsam, denn ich sinke trotz der
Schneeschuhe bei jedem Schritt 30 bis 40cm ein. Und wenn ich mal auf
die Knie falle, fällt das Aufstehen schwer: es ist nichts zum
Abstützen da - die Hände versinken im Schnee. Nach 1 1/2
Stunden kehre ich erschöpft um, ich muss ja noch zurück.
Die Fußstapfen vom Hinweg sind wegen des neuen Schnees kaum zu
erkennen. Auch die 30m von der Straße zum Haus sind mühsam,
ich muss erst einmal den Wall von den Räumfahrzeugen
überwinden. Während des Kochens setzt mal kurz der Schneefall
aus und ich habe einen herrlichen Blick von der Terrasse.
05.02.2024
Das Aufstehen ist schon eine Qual: rein in die Stiefel, Jacke an und
dann den Weg zu Toilette freischaufeln. Als Trost für mich: es schneit
nicht und es ist windstill. Endlich mal kein Neuschnee. Nach dem
Frühstück kommt die Sonne raus und ich prepariere erstmal den
Weg zur Straße - der Haufen vom Räumdienst ist unüberwindbar
geworden.
Dann mache ich mich auf den Weg zum Vøringsfossen, zuerst
über die alte Brücke in Richtung der neuen
Fußgängerbrücke. Aber der Weg wird zu schwierig,
also kehre ich um und gehe in Richtung Fossli-Hotel. Der Weg zum Hotel
und Parkplatz ist auch "stengt" (geschlossen), aber das muss man ja
nicht so genau nehmen. Von der Aussichtsplattform vor dem Hotel habe
ich dann einen herrlichen Blick auf den Fall und ins Tal: die 2 1/2
Stunden für nicht mal 5km haben sich wirklich gelohnt.
zum Vøringsfossen-Video
Für mich auch eine neue Erfahrung, wie kostbar Wasser sein kann.
Ich bereite mein Wasser aus dem Schnee vor der Tür. Klingt
einfach, ist es aber nicht. Denn der Schnee hat ein Mehrfaches des
Volumens - da brauche ich schon mehrere Schüsseln Schnee, um
einen Topf vollzubekommen.
06.02.2024
Die Nacht ist kalt. Als ich um 2 Uhr mal vor die Tür muss, ist
der Himmel sternenklar. Das merke ich auch am Morgen: der Ofen ist
zwar schon an, aber ich sitze bei 12°C beim Frühstück.
Dafür guckt auch um 9 Uhr die Sonne über die Berge. Ich
mache mich schnell auf den Weg, denn es ist Schnee angekündigt.
Ein Lob auf den Räumdienst, mein Zugang zur Straße ist
freigeräumt.
Die Straße führt mich am Abzweig zum Fossli-Hotel vorbei
talaufwärts zum Isdalsvatnet. Man denkt, gleich kommt das Ende
der Welt, aber dann sind überall in der Landschaft Hütten
verstreut: in Norwegen gibt es einfach zuviel Platz. Ein öffentlicher
Parkplatz weckt die Idee für einen Tagesausflug im Sommer hier oben.
Dann scheint es hier auch Elche zu geben, denn an einer Infotafel
gibt es einen Hinweis auf die Elchjagd. Ich suche mir hier oben eine
Hütte für die Rast aus. Die Terasse ist leider zugeschneit,
so bleibt zum Sitzen nur das Geländer neben der Eingangstür.
Die Pause wird dann doch kürzer als gedacht: die Sicht wird
schlechter, jetzt kommt zum Wind auch noch der Schnee. Ich sehe
teilweise meine Spuren von der Hintour nicht mehr. Als ich zu Hause
ankomme, habe ich eine neue Spitzenleistung: über 8km in nicht mal
3 1/2 Stunden. Wenn ich nach Berlin zurückkomme, kann ich sogar mit meiner
Mutter mithalten.
07.02.2024
Ich wache erst auf, als es schon hell wird und draußen ist tolles
Wetter - blauer Himmel und ab 9 Uhr guckt die Sonne über die Berge.
Ab 10 bin ich unterwegs, denn zu 13 Uhr bin ich mit den Kollegen am
Vøringsfossen verabredet. Ich gehe gleich schräg rüber hinter
der Brücke in die Siedlung und querfeldein aufwärts. Der
Schnee ist teilweise gut verharscht und ich sinke nicht so weit ein.
Toll ist auch, dass ich mir über feuchte Wiesen unter mir keine
Gedanken machen muss. Als die Zeit ran ist, finde ich auch die
(wir nennen es mal) Brücke, über die der Sommerwanderweg
führt. Am Hang zum Bjoerio (das ist der Fluss, der den
Vøringsfossen runterstürzt) versinke ich ein paarmal tief
im Schnee, aber der Wanderweg ist in der Karte auf dem Telefon
eingetragen und so laufe ich ein Stück mit der Glotze in der
Hand und komme gut zur Hauptstraße.
Nun hoch zur Aussichtsplattform vor dem Hotel. Es bleibt noch genug
Zeit für die Mittagspause vor dem Termin. Wir haben Glück
und es ist sonnig (ich merke die Sonne am linken Ohr). Nach 10 Minuten
muss ich allerdings Schluss machen, ich friere an den Fingern. Nun noch
eine gute halbe Stunde Rückweg und ich bin wieder in der Hütte.
Durch die Sonne haben sich die Temperaturen im Haus so gut gehalten,
dass ich nicht gleich den Ofen anschmeißen muss und erstmal
Blåbærlykke genießen kann. Prima, der Tag endet so
gut, wie er begann.
08.02.2024
Nachts um 5 bin ich mal draußen: ich habe mir wegen der klaren
Nacht den Wecker gestellt und hoffe auf Polarlichter am Himmel. Aber
ich werde enttäuscht und verkrümel mich wieder ins warme Bett.
Für den ganzen Tag ist Sonne angekündigt und ich will
versuchen, die Telefonantenne auf dem Berg gegenüber zu erreichen.
Wegen des Wetters lasse ich auch das Cape zurück. Also los auf die
andere Seite des RV7 und durch den Ortsteil Hol (vier Häuser)
bergauf. Irgendwann treffe ich auf eine vorbereitete Skipiste und
nutze sie ein Stück. Bergauf durch tiefen Schnee ist wie zwei
Treppen auf einmal hochsteigen. Ich bin so froh, dass ich merklich
unter 80kg wiege - ich wäre viel zu faul, mich dort hochzutragen.
Die Skipiste, ein Rundkurs um den Berg, muss ich allerdings verlassen
und stampfe wieder durch tiefen Schnee aufwärts. Ein paar
weiße Vögel schrecken vor mir orangem Vogel auf und
flattern weg. Es gibt doch noch ein paar Tiere, auch Kaninchenspuren
sind zu sehen.
Mein Ziel erreiche ich dann aber doch nicht: an der Bergkante haben
sich Schneeverwehungen gebildet und dann bin ich doch vorsichtig
(ich hab's der Anne versprochen). So genieße ich meine
Mittagspause ungefähr 50m unterhalb der Antenne mit einen tollen
Blick bis zur Staumauer des Sysenvatnet hinter Maurset, dort wo der
RV7 für 50km im Winter gesperrt ist.
zum Talblick
Auf dem Rückweg merke ich beim Abstieg, wie steil es ist.
Glücklicherweise nutze ich meine Tritte der Hintour. Ich muss nur
aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde und erst einen Fuß
wieder hebe, wenn der andere fest steht.
Nach 3 1/2 Stunden bin ich dann wieder gut in der Hütte angekommen
und bereite mich auf die morgige Rückfahrt vor. Und dann kommt noch der
Abend der Körperpflege, morgen geht's ja wieder in die Zivilisation.
09.02.2024
Der Wecker ist auf 06:30 gestellt, aber ich bin schon vorher wach. Die
letzten Reste zusammenpacken, und dann geht es um 07:30 zur
Bushaltestelle. Ich bin der einzige Fahrgast und sitze vorne rechts, um
alles noch ein letztes Mal zu sehen. Unten, in Øvre Eidfjord
füllt sich der Bus mit Kindern - die Schule ruft. Auch der Umstieg
in Bu klappt und wir fahren über die Hardanger-Brücke: im Berg
über den blau erleuchteten Kreisverkehr, raus aus dem Berg auf
die Hängebrücke, auf der anderen Seite rein in den Berg und
dann wieder über einen blau erleuchteten Kreisverkehr. Das ist
schon ein Erlebnis.
In Voss habe ich noch genug Zeit, um mir die Stadt anzusehen und Zeugs
einzukaufen. Die Züge aus Bergen und Oslo treffen sich hier, da
die Strecke eingleisig ist.
Und dann geht es die Berge rauf und ins Weiße. Irgendwann merke
ich, dass es keine Bäume oder Sträucher mehr gibt. Es ist nur
noch weiß und die Sonne brezelt. Schon wegen dieser einen Stunde
über die Hochebene lohnt sich diese Bahnfahrt. Und trotzdem gibt
es noch Häuser, besonders an den Bahnstationen. In Finse, ganz
oben, spuckt der Zug viele Winterurlauber aus und füllt sich mit
zusteigenden wieder auf.
Blick aus dem Fenster
Dann taucht auch das östliche Ende des
RV7 neben der Bahn auf, hier auch schon geräumt.
Am Ende des Tages lande ich dann glücklich mit Umstieg auf den
Bus in Hønefoss in der Endstation Jevnaker bei Elle, Marianne
und Emma.
10.02.2024
Heute heißt es früh aufstehen, denn wir haben uns
vorgenommen, um 9 Uhr Richtung Oslo loszufahren. Wir müssen
noch an einer Ladesäule Station machen, damit wir das Auto mit
70% Ladung zurückgeben können. Das klappt dann auch und wir haben
noch genug Zeit, Wegzehrung einzukaufen, in Ruhe einen Wickelraum
aufzusuchen und ich finde noch etwas Zeit für die"Eyes" auf
Tjuvholmen. Und dann rauf auf die Fähre und ab in Richtung
Heimat, mit der Gewissheit, im Sommer wiederzukehren.
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die schwimmende Einkaufsmeile
Aussicht von der Terrasse
das erste Teewasser
der alte RV7 im Berg
Blick übers Tal vom alten RV7
die Hütte im Sonnenschein
die neue Fußgängerbrücke
links unten der Vøringsfossen
30 cm tief ist fast normal
Ansicht übers Tal - links die Aussichtsplattform, rechts mein Haus
Blick nach Maurset
Selbstbildnis mit Mann
am Bahnhof in Finse
in der Mitte "Eyes" von Louise Bourgeois,
links das Rathaus, rechts die Festung Akershus
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